stories:
WEEKEND
- NUR FÜR ERWACHSENE -
Vorwort
Um es vorweg zu nehmen. Der Vermerk "Nur
für Erwachsene" ist nicht ganz ernst zu nehmen.
Um die Wahrheit zu sagen, wir haben das Ding bloss herausgebracht,
weil WEEKEND so nach Entspannung klingt.
Und wer Entspannung sagt, meint Sex.
Der Zusatz "Nur für Erwachsene", ist
unserer Meinung nach also nicht einmal so unberechtigt.
Offen gestanden, wir haben WEEKEND noch nicht einmal
gelesen. Aber der Name Jean-Luque Benvenuti klang derart
vielversprechend, dass wir nicht umhin konnten, dieses
Werk zu veröffentlichen. Dabei haben wir keine
Mühen und Kosten gescheut, die ohnehin sehr gering
waren, und haben alles auf eine Karte gesetzt. Und zwar
auf eine Landkarte, wir türmten nämlich in
die Schweiz.
Doch seien Sie, liebe(r) Leser(in) nicht gleich enttäuscht.
Die grosse Enttäuschung kommt wahrscheinlich erst,
wenn sie WEEKEND zu Ende gelesen haben. Wie gesagt,
wir haben keinen blassen Schimmer, was uns dieser Benvenuti,
wenn er auch zweifellos einen hübschen Namen hat,
für eine Schweinesülze abgeliefert hat.
Wir hoffen dennoch, im Interesse unserer Leser, dass
das Gütesiegel erster Klasse für Literatur,
sprich "Nur für Erwachsene" - vergleichbar
etwa mit einem "Sehr Gut" der Stiftung Warentest
-, das hält, was er verspricht.
Kurz und gut, dass Ganze ist reine Nepper-Schlepper-Publicity!
Wie bitte?
Sie wollen Ihr Geld zurück?
Wir wollen etwas für die Jugend tun, und Sie, mein
lieber Herr, wollen Ihr GELD zurück?
BETRUG sagen Sie?
Machen Sie sich doch nicht LÄCHERLICH!
Nun gut, wir werden Ihnen kurz erklären, warum
unser Hauptinteresse der Jugend vorbehalten ist. Welche(r)
Jugendliche kauft sich heute noch Literatur oder ähnliches?
Richtig! Eher geben diese langhaarigen Strolche das
schwer verdiente Geld ihrer Eltern für andere lebensnotwendige
Dinge wie Drogen, Anti-Baby-Pillen und weitere Köstlichkeiten
aus. Recht so! Von kulturellen Werten keine Spur. Wozu
auch?
Ausserdem haben wir nie behauptet, dass dieses Exemplar,
welches Sie gerade in der Hand, oder weiss der Teufel
mit welchen Körperteilen halten, irgend etwas mit
Kultur zu tun hat. Sollte sich dennoch der eine oder
andere verwegene Jugendliche, vielleicht sogar beide,
dazu entschliessen, etwas zu lesen, dann mit Sicherheit
- Schrott. Möglichst mit einem Vermerk, der auf
etwas Geiles schliessen lässt. Bongo?
Übrigens. Wenn Sie schon so doof waren, sich dieses
Werk zu kaufen, und noch doofer sind, es auch zu lesen,
dann müssen wir noch hinzufügen, dass wir
uns vom Inhalt von WEEKEND voll und ganz distanzieren,
und das Vorwort in keiner Relation zur nachfolgenden
Geschichte, oder was immer da folgen wird, steht.
Denn - wer liest heutzutage noch?
Wir sicher nicht.
Der Verleger.
Pressestimmen
F.A.Z.:
Bravo. 1:0 für Benvenuti!
Kölner Ärzteblatt "Krankenschein":
Die richtige Lektüre vor dem Einschlafen. Gesünder
als Kaffee ... und besser als gar nichts.
The Times:
Lektion für Rosemarie - Weiter so!
L'Unita:
Nach dem Motto "Es gibt viel zu tun, warten wir's
ab!" ist es dem jungen Autor bravourös gelungen,
ein neues und wahres Bild des schmutzigen Kapitalismus
zu zeichnen. Es lebe die Revolution!
Daily Mirror:
Eine exzellente Mischung aus Stanislawski, Dupont und
Michael Jackson.
Bild:
Schmeisst ihn endlich raus!
L'Equipe:
Endlich spricht jemand aus, was keiner dachte.
Der Spiegel:
Gespannt warten wir auf die Reaktion der Opposition.
Die FDP wähnte sich bereits in Sicherheit, als
diese Enthüllung einschlug wie eine Bombe. Die
Sozialdemokraten haben sich trotz aller Warnungen dazu
entschlossen, auf ein neues politisches Wunder zu warten.
Dem schloss sich selbst die CDU-Fraktion an. In München
gibt man den Grünen die Schuld, was wohl zu erwarten
war. Hier wurde weiteres sozialpolitisches Porzellan
zerschlagen, obwohl mit dieser Aussage den Freidemokraten
merklich der Wind aus den ohnehin schon angerissenen
Segeln genommen wurde. Interessant dürfte vor allem
sein, ob und wie sich der DGB dieser Frage stellt. Erscheint
auch vieles, trotz parteipolitischer Sonnenbrillen,
noch undurchsichtig, so lässt sich bereits eines
feststellen: Das Ende bleibt abzuwarten.
Wir können froh sein, einen Mann wie Benvenuti
in unseren Reihen zu haben. Es ist schlichtweg eine
Schande, WEEKEND nicht gelesen zu haben.
Kicker:
Ein Mann fürs Nationalteam. Wo ist Derwall?
De Telegraaf:
Napoleon ist tot. Aber Benvenuti lebt - und wie!
WEEKEND
Das Leben ist kurz, beschissen und zum
Kotzen. Jawohl!
Um dies zu unterstreichen, suche ich das Klo auf, zumal
mich seit geraumer Zeit ein lästiger Druck in der
Magengegend in Schach hält. Könnte vom Bier
oder vom Whisky herrühren. Oder hat Dope doch Nebenwirkungen,
von denen ich bisher noch nichts wusste? Auf jeden Fall
muss ich mir bei dem Gestank, welcher sich innerhalb
weniger Sekunden ausbreitet, die Säufernase zuhalten,
um nicht in ein monatelanges Koma zu fallen. So muss
es Dornröschen ergangen sein, ehe sie vom Kuss
des holden Ritters geweckt wurde. Ich aber kann Ritter
in meiner Nähe nicht dulden, und beschliesse deshalb,
nicht ohnmächtig zu werden.
Es knattert und rattert an allen Ecken und Enden meiner
zweiten Fresse. Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Sosse
spritzt unheimlich frech durch die Brille, und ich versuche
dem schwachsinnigen Schissgeplätscher zusammenhängende
Harmonien zu entnehmen. "Krach, Polter, Plätsch".
Naja, etwas schwach das Ganze. AC/DC vielleicht? Nun
kommt eine Weile gar nichts. Ich presse und drücke
nach Leibeskräften. Endlich. "Furz" und
"Brubbel". War das etwa die Fortsetzung von
TUBULAR BELLS? Nicht schlecht. Dem folgt eine Art Zappa
und etwas New Wave. Ich lausche gebannt, ob noch etwas
von Pink Floyd kommt. Doch dazu scheinen meine Songwriter-Qualitäten
nicht ganz auszureichen. Ich gebs auf. Wenigstens weiss
ich jetzt, warum ein grosser Teil der Popmusik Scheisse
ist.
Draussen trommelt mein Alter an die Tür, weil er
unbedingt seinen Spiesserschiss anbringen will. Immer
das Gleiche! Das Scheissen ist auch nicht mehr das,
was es mal war.
Leicht schwankend verlasse ich den Ort, an dem man so
vieles los wird, und freue mich insgeheim, dass sich
dieser alte Tattergreis, welcher sich mein Vater nennt,
dem exotischen Aroma meiner Alki-Schiss-Mixtur kaum
entziehen können wird. Das hast du nun davon, dass
du mich gezeugt hast. Das Verwöhnaroma.
Zugegeben, irgendwie fühl ich mich erleichtert.
Hab gestern, oder besser gesagt, die letzten zwei Wochen,
wohl doch des Guten zuviel gesoffen. Ich krieg einfach
keinen 08/15-Schiss mehr hin.
Es ist ein Samstag wie jeder andere. Mit
dem feinen Unterschied, dass die Bundesliga Winterpause
hat, was wiederum zur Folge hat, dass mein Stimmungsbarometer
auf den Nullpunkt gesunken ist. Schlecht gelaunt schlendere
ich in mein Zimmer, wie ich diese Siebzehn-Quadratmeter-Gummizelle
immer wieder respektvoll bezeichne. Meiner Weltuntergangsstimmung
entsprechend lege ich THE FINAL CUT auf.
Nun werde ich erst einmal einen Schlachtplan für
den heutigen Abend aushecken. Da heute, wie gesagt,
kein Fussball kommt, kann ich mir das Fernsehprogramm
ohne grössere Bedenken getrost sparen. Ich muss
also irgendwie zusehen, dass ich bei einer anderen Randgruppe
unterkomme. Dazu brauche ich allerdings mein Adressbuch.
Verdammt! Wie soll man in diesem Dreckschuppen etwas
finden, wenn meine Alte dauernd aufräumt? Das hat
man davon, wenn man bei den Eltern wohnt.
Ich stelle das ganze Zimmer auf den Kopf, und finde
das Adressbuch per Zufall in der Küche, wo ich
mir einen Bauchfüller zubereiten will.
Lass mal sehen.
Markus? - Das Stinktier ist eh wieder besoffen.
Kalle? - Das wär noch zu überlegen. Überredet.
07622/84924.
- Guten Tag, Frau Kellergeist! Ich bins, Django. Ist
der Kalle da?
- Ach der ist bei der Rosi. Naja, was solls. Auf Wiederhörn.
Scheiss-Weiber!
Wer käme denn sonst noch in Frage? Tommy?
Ach was, dem schuld ich noch 300 Mark.
Wie wärs denn mit Rainer? Okay. In der Not frisst
der Teufel Fliegen.
47811.
- Tüüüüt
- Der braucht aber auch immer eine Ewigkeit, bis er
endlich mal abnimmt. Na endlich.
- Na du alter Drecksack, was treibst du denn so?
- Aha.
- Gut, nee, morgen ist doch das Eishockeyspiel.
- Wie bitte, ich soll EINMAL darauf verzichten? Du kannst
mich mal am After kraulen, du Ego.
- Okay, machs gut. Viel Spass noch bei deiner Motorradtour,
und flieg mir nicht auf die Fresse. Du weisst ja, dass
du mir noch nen Hunderter schuldest. Ausserdem gefallen
mir Krankenhäuser von aussen besser. Rechne also
nicht mit meinem Besuch! Bye Bye!
So ein Pech. Ausgerechnet heute muss dieses Arschloch
sein neues Motorrad kriegen. Ist sowieso ein Trottel.
Versuchen wirs mal mit den Weibern.
Gabi? - Scheisse, die hat heute Training.
Heike? - Nie wieder. Damit ich mir wieder die neuesten
DALLAS-Stories und anderen geistigen Bullshit anhören
muss.
Oh Graus - Emma ist zur Zeit in Karlsruhe. Ist vielleicht
auch besser so.
Anne? - Das musste ja so kommen. Hab ich also doch vergessen,
den Namen zu streichen.
Meine alten Wunden brechen wieder auf. Jetzt kann ich
wieder an nichts anderes denken, als an sie. Es ist
zum Mäusemelken. Geistesabwesend hole ich das Verpasste
nach, und schütte eine Halbliter-Flasche schwarzer
Tusche über ihren Namen, was mich, wen wunderts,
in gewisser Weise mit tiefer Befriedigung erfüllt.
Zu spät. Anne hat sich bereits in sämtlichen
verbliebene Gehirnzellen festgefressen. Dabei hatte
ich mir geschworen, nie wieder einen Gedanken an sie
zu verschwenden.
Drei Wochen ist es jetzt her. Sie hat mich einfach sitzen
lassen. Ohne grosse Erklärungen. Mich, Django Fazoletto,
schickt man nicht so einfach in die Wüste. Merk
dir das, Mädchen!
- Du hör mal, hat sie ganz zärtlich gesagt,
diese verlogene Schlampe. Ich hoffe, du hast die ganze
Sache mit uns nicht allzu ernst genommen.
Wie sollte ich auch. Das hätte gerade noch gefehlt,
dass ich diese lächerliche Figur zwei Jahre lang
ernst genommen hätte!
- Natürlich nicht, hab ich ganz locker gesagt,
und ich war wohl in meinem ganzen Leben noch nie so
fertig, wie in diesem Augenblick. Ausser als Frankfurt
gegen den Drittligisten Göttingen aus dem Pokal
geflogen ist.
Dann sagte sie noch, dass sie am Samstag nicht ans Open-Air-Festival
mitkommt, weil irgendwelcheschwachsinnigenverwandten
kämen, und dass es ihr leid täte, und dass
ich sie trotzdem mal besuchen solle und all den anderen
Stuss, den ich sowieso nicht mehr gehört habe.
Dann hat sie noch ihr traditionelles Tschüüüüss
gebrabbelt und endlich aufgelegt. Ich bin dann noch
ne Weile wie ein Doofmann mit dem Telefonhörer
in der Hand dagestanden, bis mich meine Mutter angepflaumt
hat, weil sie auf einen "wichtigen" Anruf
wartete.
Daraufhin bin ich in mein Zimmer getwistet, hab alle
Türen verriegelt, lange gegrübelt, geraucht
und gegen mich Mastermind gespielt. Was man halt in
so einer Situation nun mal macht.
8.815,20 DM hat mich dieses Weib die letzten zwei Jahre
gekostet. Wohlbemerkt ohne Open-Air-Festivals! Ich werde
wohl einen Song mit dem Titel INFLATION LOVE komponieren.
Wie konnte ich bloss auf so was reinfallen. Vor allem
ihre Begrüssungs- und Abschiedsszenen waren von
allerhöchster schauspielerischer Qualität.
In Hollywood hätte sie dafür mindestens vier
Oscars bekommen.
Jetzt reichts! Es ist schon wieder Viertel
vor Acht. Kein Schwanz ruft an.
Wenn wenigstens Anne ...
Oder soll ich etwa. ...?
Nein, Nein, Nein. Du musst hart bleiben, mein Freund.
Soll ich mich etwa noch bei ihr dafür entschuldigen,
dass sie mich schamlos gerupft hat? Nichts da!
Wie war doch noch ihre Nummer? - 4819.
Das Telefon klingelt.
Ich stürze im Rekordtempo von einskommasechs Sekunden
hin und sage keuchend:
- Django & Co? - Ach Sie sinds nur.
- Mutti, für dich!
Scheisse, doofe Zicke.
Wo soll ich heut abend bloss hin? In die TONNE, ins
AS oder ins GIGOLO? Wen könnte man mit einem kleinen
Besuch überraschen? Ach, scheiss drauf. Der Sprit
reicht eh höchstens bis zur nächsten Zapfsäule,
und Knete habe ich keine mehr.
Die ganze Welt kann mich am Arsch lecken.
Ich schnapp mir halt was Literarisches. Bloss keinen
hochintellektuellen Wälzer. Wenn ich wenigstens
wüsste, wo meine Asterix-Hefte sind. Mist. Die
sind noch bei Anne.
Wenigstens habe ich noch einen Grund, zu ihr hinzugehen.
Was solls. Ich halts in dieser stickigen Bude sowieso
nicht mehr aus. Der Sprit muss doch noch reichen. Für
die paar Kilometer.
Hoffentlich ist sie zu Hause. Und alleine.
Das hat man davon, wenn man sich verknallt. Viel Rummel
um Nichts. Schlaflose Nächte, und das übliche
und üble Spiel "Sie liebt mich, sie liebt
mich nicht, sie kann mich nicht ausstehen".
Und wenns dann vorbei ist, nimmt man am liebsten dreissig
Schlaftabletten, oder lässt sich von einem Zug
überfahren, oder sonst was Primitives.
Ich habs zumindest versucht. Ich hab sogar vierzig Tabletten
geschluckt. Haben echt gut geschmeckt. Aber Brause ist
wohl doch nicht das Wahre. Anschliessend hab ichs an
der Eisenbahnlinie versucht. Es ist ganz einfach. Man
braucht sich nur quer über die Schienen zu legen,
und warten bis der Zug kommt. Irgendwann ist so ein
Spaziergänger - komplett mit Hut und Hund - auf
mich aufmerksam geworden. Der hat dann gleich einen
auf Sozialarbeiter gemacht, mit solch albernen Sprüchen
wie "Ich solls mir nochmal überlegen"
und so. Schliesslich hat er mich dann doch überzeugt,
weil er den Fahrplan ziemlich gut kannte. Der nächste
Zug würde erst in sechs Stunden und siebzehn Minuten
hier vorbeirollen.
So lange konnte und wollte ich nicht warten. Erstens
wars halb zwei Uhr nachts und arschkalt, und zweitens
ist auf die Bundesbahn sowieso kein Verlass. Wenn ich
mich schon umbringe, dann richtig. Man bringt sich schliesslich
nicht alle Tage um!
Ich bedankte mich bei dem Spaziergänger noch recht
herzlich dafür, dass er mich soeben vor dem Erfrieren
bewahrt hatte, um anschliessend nach einem geeigneten
Baum Ausschau zu halten, welcher mir beim Erhängen
meiner Wenigkeit dienlich sein sollte.
Erst jetzt bemerkte ich, in welch erbärmlichen
Zustand Deutschlands Baumwelt sich tatsächlich
befand. Die Äste, sofern überhaupt noch welche
vorhanden waren, eigneten sich nicht einmal mehr dafür,
das Gewicht eines heranwachsenden Wellensittiches aufzunehmen,
geschweige denn, meinen wohlgeformten Tarzan-Bau. Es
ist an der Zeit, dass sich in der Umweltpolitik endlich
etwas Entscheidendes rührt. Bleifreie Autos? Dass
ich nicht lache! Wie wärs denn mit einem Penis-Kat?
Wer sagt denn, dass menschlicher Urin bleifrei ist?
Wutentbrannt beschloss ich, meinen Selbstmord auf einen
geeigneteren Zeitpunkt zu verschieben und rannte schnurstracks
nach Hause, um eine deftige Beschwerde gegen die Machenschaften
der deutschen Wirtschaft zu verfassen, und beim Umweltministerium
einzureichen.
Fuck it! Was ist bloss mit dem Karren
los. Er springt doch sonst immer an, gewissermassen
die Verlässlichkeit in Person.
Neeeiin!!
Hab ich doch glatt vergessen, das Licht abzuschalten.
Kein Wunder, dass der Schrotthaufen nicht anspringt.
Ich fluche wie ein Rohrspatz und habe keine Ahnung,
wer diese blödsinnige Redewendung erfunden hat.
Ich bemerke, wie ich automatisch innehalte, einen verstohlenen
Blick auf den Beifahrersitz werfe und Annes mahnenden
und vorwurfsvollen Blick mit dazugehöriger Nörgelei
erwarte.
Doch der Beifahrersitz ist leer. Um so besser.
Endlich kann ich wieder ein Mensch sein, und sagen,
was ich will. Ich zähle alle mir bekannten Flüche
laut auf und wiederhole das Ganze noch dreimal.
Zum ersten Mal seit zwei Jahren habe ich das Gefühl,
frei zu sein.
Stets hatte sie was auszusetzen, wenn sie im Auto neben
mir sass. Und auch sonst.
"Fahr nicht so schnell" bei Tempo Siebzig
auf der Autobahn und "Fahr nicht so langsam"
bei Vierzig in der Fussgängerzone. Da soll man
nicht verrückt werden? Zu doof für den Führerschein
und dann noch Ansprüche stellen. Das hab ich gern.
Bis ich eines Tages an den Strassenrand gefahren bin
und ihr gehörig eine geschossen habe. Doch als
auch diese Massnahme nicht fruchtete, blieb mir nichts
anderes übrig, als mich an ihre fahrtechnischen
Belehrungen zu gewöhnen, und diese durch konsequentes
Ignorieren zu huldigen.
Ich frage mich immer noch, was sie dazu bewogen hat,
mit mir Schluss zu machen.
Ich geb ja zu, dass es nicht die feine Englische Art
war, sie neun Stunden beim Pokern mit meinen Kumpels
zuschauen zu lassen. Was kann ich denn dafür, wenn
sie nie was sagt? Ich dachte, dass sie mit der Zeit
Gefallen daran finden würde, um letztendlich voller
Elan mitzuzocken.
Auch dafür, dass die Weltmeisterschaft vier Wochen
dauerte, kann sie mich nicht verantwortlich machen.
Ich hätte sicherlich nichts dagegen einzuwenden
gehabt, wenn sie mir während der Halbzeitpausen
ihre Aufwartung gemacht hätte. Zugegeben - auf
das eine oder andere Mittwochspiel hätte ich durchaus
verzichten können. Aber welche echte Fussballfan
verpasst schon gerne Schweiz gegen Malta oder Marokko
gegen Albanien? Ich sicher nicht!
Sind wir nicht am darauffolgenden Mittwoch Pizza essen
gegangen? Soll noch einer behaupten, dass ich für
meine Sünden nicht bezahlt habe. Ansonsten hatte
ich gegen das Pizzaessen überhaupt nichts einzuwenden.
Im Gegenteil.
Es musste schon mit dem Teufel zugegangen sein, als
wir an jenem unvergesslichen Mittwoch unsere Stammpizzeria
betraten und - hört, hört! - ein nagelneuer
Farbfernseher im Raume glitzerte. Wer hätte gedacht,
dass ich Deutschland gegen Belgien doch noch live miterleben
durfte? Dass dadurch die Konversation etwas zu leiden
hatte, versteht sich von selbst. Die Halbzeit nutzte
ich dazu, die Pizza runterzuwürgen und mit unseren
Tischnachbarn, welche ebenfalls den Ereignissen, die
da über den Bildschirm flatterten, gefolgt waren,
eingehend und mit bewegter Stimme über einen nicht
gegebenen Strafstoss zu diskutieren. Im Dritten Programm
kam anschliessend Connors gegen McEnroe.
Und schon war der grösste Streit da.
Allerdings erst am nächsten Tag.
Als das Tennisspiel beendet war, stellte ich fest, dass
Anne nicht mehr da war. Ich schaute noch rasch auf der
Damentoilette nach, doch mehr als eine Ohrfeige seitens
einer älteren Dame sprang dabei nichts raus. Der
Kellner belehrte mich eines Besseren, als er mir mitteilte,
dass meine "Frau" bereits vor ungefähr
drei Stunden gegangen war.
Wie konnte dieses Luder nur so egoistisch sein?
Das sollte sie mir noch büssen!
Der Streit war schnell vergessen. Er dauerte lediglich
ein halbes Jahr, ehe sie mir mit Schmollmund "noch
einmal" verzieh. Sie meinte, dass wir einfach mal
wegfahren sollten. Die typische Ausrede, wenn man nicht
mehr weiter weiss. Wir könnten zum Beispiel am
Samstag eine ehemalige Schulfreundin von ihr besuchen.
In Frankfurt. Ich stimmte bereitwillig zu, und bekam
dafür einen leidenschaftlichen Kuss mit allen Extras.
Die Eintrittskarte für das Spiel Frankfurt gegen
Bayern werde ich mir schon irgendwie besorgen. Eigentlich
schade, dass wir uns dauernd streiten müssen.
Gut, dass ich noch ein Fahrrad besitze.
Das Ding habe ich vor Jahren geschenkt bekommen. Es
stand so ganz allein und verlassen, und was das Beste
war, unverschlossen, vor einem Supermarkt.
Ich betrete den Fahrradraum.
Das Dumme ist, dass ich mich nicht mehr entsinnen kann,
wie das Ding überhaupt aussah. Ich entschliesse
mich für ein schönen rotes Rennrad mir zehn
Gängen. Leider ist es abgeschlossen. Zur Auswahl
stehen noch ein Klapprad und ein uraltes Damenrad. Meiner
Abneigung gegen Klapprädern zufolge bin ich also
stolzer Besitzer eines vorsintflutlichen Gestells mit
zwei Rädern. Voraussichtliches Baujahr: Zwischen
Bronze- und Eiszeit.
Die Klingel funktioniert astrein. Wenn bloss der Plattfuss
nicht wäre - es ist also tatsächlich mein
Fahrrad. Heute scheint wieder ein ausgesprochener Glückstag
für mich zu sein.
Die HB-Reklame schwirrt mir durch den Kopf: Greife lieber
zur HB, dann geht alles wie von selbst.
Wäre doch gelacht, wenn ich mit einer CAMEL nicht
den gleichen Effekt erziele. Ich stecke mir eine ins
Gesicht, zünde sie an und warte zehn Minuten. Doch
nichts geschieht. Ausser, dass mich eine Katze anpisst.
Alles Schwindel!
Jetzt muss ich also doch meilenweit... Na warte du Mistvieh!
Wenn ich dich kriege. Ich werde dich auf dem Flohmarkt
als Bockwurst verkaufen.
Ich nehme die Verfolgung des Flohmarktvespers auf, und,
ich weiss beim besten Willen nicht mehr, wie es geschehen
konnte, auf jeden Fall bin ich ausgerutscht, sodass
mich das Schicksal ereilte, auf die Fresse zu fliegen.
Mühsam erhebe ich mich, und muss dabei entsetzt
feststellen, dass mein linker Arm im Begriff ist, anzuschwellen.
Und was noch schlimmer ist, die Katze ist verschwunden.
Auto am Arsch, Fahrrad am Arsch, Katze am Arsch, Arm
am Arsch!
Werd ich halt zu Anne trampen müssen.
Der Arm schmerzt wahnsinnig, aber er ist höchstens
gebrochen. Oder verrenkt oder verkugelt, oder weiss
der Teufel, wie man das nennt.
Hört sich gut an!
Werd am Montag zum Onkel Doc gehen, und der wird mich
für drei Monate krank schreiben. In Wirklichkeit
wird der alte Wichser sagen:
- Wie bitte, wegen so was kommen sie hier her, junger
Mann? Als ich so alt war wie sie ...
Jedes Mal dieselbe Leier. Das hält kein normaler
Mensch aus. Bevor der einen krankschreibt muss man entweder
verwest oder zumindest klinisch tot sein. Das kann ich
mir also abschminken. Ich frage mich schon lange, wofür
ich eigentlich die Krankenkassenbeiträge bezahle.
Mit einer lädierten Brustwarze und
einem kaputten Arm, die Zähne zusammenbeissend
- was ja sowieso Quatsch ist -, mache ich mich auf den
Weg zur nächsten Bushaltestelle. Dort werde ich
in guter amerikanischer Sitte, frei und unabhängig
wie ein Cowboy, die frischen Abgase der donnernden Blechkutschen,
Panzer und DC-10 einatmen, und darauf warten, dass mir
eine wohlproportionierte Blondine, welche gerade von
irgendwelchen bösen Männern verfolgt wird,
Einlass gebietet.
Obwohl ich die gesamte Trickkiste eines modernen und
weltmännischen Trampers entrumple - Daumen hoch,
linkes Bein leicht angewinkelt, rechtes Bein lässig
in Herkules-Pose ... -, stehe ich nach einer halben
Stunde immer noch da.
Soll ich wirklich zu dieser hässlichen Kröte?
Wie wir uns kennen gelernt haben, weiss ich noch, als
obs vorgestern gewesen wäre.
Es war an einem Freitag Abend um 21Uhr34. Ich fuhr gerade
wie der Teufel in Richtung Heimat, als ich am Strassenrand
zwei wild mit den Händen fuchtelnde Gören
erblickte, die ohne Zweifel darauf aus waren, die erstbeste
sich bietende Mitfahrgelegenheit zu nutzen, um so billig
an ihren Bestimmungsort zu gelangen.
Obwohl ich es eilig hatte, weil ich SPORT AM FREITAG
nicht verpassen wollte, und trotz der Proteste meiner
inneren Stimme, die da sagte
- Wenn ich auch nur eine Sekunde von Frankfurt gegen
Kaiserslautern verpasse, kannst du dir eine andere innere
Stimme suchen,
überlegte ich kurz, streckte meine innere Stimme
mit einem wohlgezielten Kinnhaken nieder, und trat auf
die Bremse.
- Wo fahren Sie hin? fragten die Beiden scheinheilig.
- Frankfurt gegen Kaiserslautern, gab ich zur Antwort,
worauf sich die Weiber sichtlich irritiert anblickten.
Um die Situation zu retten, fügte ich noch schnell
ein
- Steigt ein, Bewegung! hinzu.
Zu meiner Überraschung taten sies auch noch. Die
heutige Jugend hat eben keinen Charakter!
Frankfurt führte 1:0. Ob abseitsverdächtig
oder nicht, das Tor zählt.
Da die beiden keinen Ton von sich geben wollten, liess
ich mich dazu hinreissen, für etwas Stimmung zu
sorgen, und drehte den SPORTREPORT volle Pulle auf.
Und da war auch schon das 2:0. Jetzt konnte ich mich
etwas entspannen, und einige Blicke auf die beiden Geschöpfe
werfen. Die neben mir hatte einen enormen Sound unter
der Bluse, und war auch sonst nicht von FERRARI gebaut.
Dazu langes blondes Haar und ein süsses Gesicht.
Teufel, Teufel!
Ich drehte das Radio etwas leiser und musste miterleben,
dass die Mädchen erleichtert aufatmeten, was mir
sehr missfiel. Tolerant, wie ich bin, schmiss ich sie
trotz dieser unverschämten Verhaltensweise nicht
gleich raus, sondern beschloss damit noch 200 Meter
zu warten, zumal es gerade einen Elfmeter für Kaiserslautern
gab.
2:1!
Ich riss einen Vollstopp und schmiss die Beiden verdientermassen
raus. So!
Leider war das Pferd in mir bei dieser Tat etwas durchgegangen,
wobei die Blondine recht unglücklich hinfiel, und
vor Schmerz aufschrie.
Das kommt davon!
Mein Herz richtete einen lauten und innigen Appell an
mein Gehirn, indem es mich aufforderte, die Geschehnisse
etwas genauer zu betrachten. Ich stieg aus und sah,
dass das Mädel immer noch vor sich hinschluchzend
im Gras lag, während die Andere versuchte, sie
zu trösten.
- Ist was passiert? fragte ich etwas ungeschickt.
Dabei bückte ich mich tief zum verletzten Mädchen
herunter und schaute ihr betroffen in die Augen. Sie
hatte die gleichen Augen wie Bernd Hölzenbein in
seinen besten Tagen, und da war es auch schon um mich
geschehen.
Mittlerweile stand es 3:1 für Frankfurt, wodurch
ich so gut gestimmte wurde, dass ich die Beiden kurzerhand
ins Kino einlud.
Tja, so haben wir uns kennengelernt.
Übrigens. Das andere Mädchen war Anne.
Ich stehe immer noch am selben Fleck,
und jetzt fängt es auch noch an zu regnen. In Nullkommanichts
bilden sich etliche Wasserpfützen, welche mich
unweigerlich an die Wasserschlacht von Frankfurt 1974,
BRD gegen Polen, erinnern. Ich lasse das Spiel vor meinem
geistigen Auge Revue passieren. Inklusive Zeitlupen.
In der 67. Minute, gerade als Gerd Müller eine
Flanke von Hoeness volley nimmt, geschieht das Unglaubliche.
Ein Auto hält. Genauer gesagt, ein Polizeiauto.
Ich will mich schon bei den Jungs bedanken, als einer
der beiden herausstürmenden Polizisten seine Maschinenpistole
zückt, und mich recht unwirsch anbrüllt.
- KEINE BEWEGUNG, ODER ICH SCHIESSE!
Ich bewege mein linkes Ohrläppchen und schon drückt
der gute Mann ab.
- Das nächste Mal treffe ich Sie, gibt mir der
Revolverheld zu verstehen, während hinter mir drei
potentielle Buspassagiere getroffen zu Boden gehen,
obwohl sie weder demonstriert, noch Fahrerflucht begangen
hatten.
Ich beschliesse, die beiden Jungs nicht weiter zu provozieren,
Müssen wohl Bayern-Fans sein, die es immer noch
nicht verkraftet haben, dass die Bayernschweine aus
dem Europacup geflogen sind. Unmissverständlich
weist mir der eine Polyp den Rücksitz des flotten,
weiss-grünen Flitzers.
Dankend mache ich es mir bequem und sage
- Hermann-Albrecht-Strasse 45 b, wenn ich bitten darf.
Ich durfte nicht.
- SCHNAUZE! sagt der auf dem Beifahrersitz, während
mich seine Linke voll auf die Nase trifft.
Alle Achtung. Jetzt heisst es Ruhe bewahren!
Ich beschränke mich darauf, Sauerstoff zu atmen
und mein Blut zu lecken. Unter uns, Pommes Frites schmecken
besser!
Jetzt fahren wir endlich los. Wurde auch Zeit.
Mir werden Handschellen angelegt, und ich lasse dies
ohne ein Wort der Entrüstung über mich ergehen.
Das Trampen ist auch nicht mehr das ...
Als wir anhalten, bekomme ich ernsthafte Bedenken. Erstens,
was soll ich eigentlich mit diesen lachhaften Handschellen,
und zweitens ist das hier gar nicht die Hermann-Albrecht-Strasse.
Und drittens, was soll das überhaupt?
Entschlossen steige ich aus dem Wagen und gehe direkt
auf die wartenden Bullen zu, um gegen die Art meiner
Behandlung zu protestieren, als mich ein Tritt in die
Eier ausser Gefecht setzt.
Als ich mich zwei Stunden später
wieder erholt habe, befinde ich mich in einer schäbig
eingerichteten Gefängniszelle. Nicht einmal ein
Radio ist vorhanden, sodass ich auch noch die Auslandssportberichte
abschreiben kann.
Verdammt noch mal, warum bin ich überhaupt hier?
Ich kombiniere scharf, und siehe da, es gibt nur eine
Lösung!
Anne, diese billige Nutte, muss mich verpfiffen haben,
wegen der zwei Tüten Gummibären, die ich vor
vier Monaten im Tante-Emma-Laden habe mitgehen lassen.
Na warte!
Während ich mir tausende von Foltermethoden für
Anne ausdenke, geht die schwere Eisentüre der Zelle
auf, und ein kleines, dürres Männchen, voraussichtlich
Kommissar X, tritt ein. Er kommt langsam auf mich zu,
wobei er mich ständig mit einem Blatt Papier, welches
er mit beiden Händen festhält, vergleicht.
Plötzlich hält er im Schritt inne, und sagt
erfreut
- ER IST ES!
Feierlich hebt er seinen Sheriffstern, oder was immer
gerade bei den Bullen angesagt ist, und verkündet
im klarsten Hochdeutsch:
- Im Namen des Gesetzes spreche ich Sie wegen 112-fachen
Mordes, 18 Vergewaltigen und dem Diebstahl von drei
gestohlenen Päckchen Gummibären für schuldig.
Alles kann gegen Sie verwendet werden, oder auch nicht.
- Tja, darauf steht leider die Todesstrafe. Vollstreckung
morgen früh um sechs Uhr auf dem elektrischen Stuhl.
Wie bitte, morgen früh um sechs?
Das kann ich unmöglich auf mir sitzen lassen!
Ich werde sie umbringen, diese niederträchtige
Hündin, und wenn ich dafür von den Toten aufstehen
müsste. Anne, verlass dich drauf, deine Stunden
sind gezählt!
Ich, ein Mörder, ein Vergewaltiger, wo ich doch
keiner Fliege etwas zuleide tun könnte?
Wütend gehe ich zu Kommissar X, packe ihn am Kragen,
und stammle weinerlich, dass es sich hier um einen Irrtum
handeln müsse. Ausserdem warens nur zwei Tüten
Gummibären. Doch er schüttelt nur den Kopf,
und zeigt mir das Phantombild, welches er immer noch
in den Händen hält.
- Tut mir leid, sagt er väterlich, aber das nächste
Mal passen Sie besser auf, dass sie bei Ihren Schandtaten
von niemandem beobachtet werden.
Ich entreisse ihm das Phantombild, betrachte das vernichtende
Beweisstück von allen Seiten, und verfalle in ein
schallendes und anhaltendes Gelächter.
Eine halbe Stunde lang krümme ich mich vor Lachen.
Kommissar X steht wie angewurzelt da, seine Miene wird
immer nachdenklicher und misstrauischer. Mittlerweile
hat sich die Zelle zum Bersten mit neugierigen Polizisten
gefüllt, welche es sich nicht nehmen lassen, diesem
nicht alltäglichen Zwischenfall beizuwohnen.
Mit einem Ruck verstumme ich.
Totenstille.
Ich hebe das Phantombild in die Höhe und gehe souverän
auf Kommissar X zu, wobei ich allen umstehenden Glotzern
mit unheilschwangerem Blick in die nun weit aufgerissenen
Augen sehe.
Ich warte noch sechseinhalb Minuten, und hole dann mit
erhobener Stimme zum Plädoyer aus.
- Dieser Glatzkopf soll ich sein? Schaut euch mal die
Ohren an, viel zu gross. Die Augen - blau. Seit wann,
frage ich Sie, meine Herren, seit wann habe ich Segelohren?
Und diese Nase, einfach geschmacklos! Seid Ihr eigentlich
blind? Ausserdem trage ich keine Krawatten.
Die mittlerweile 268 Freunde und Helfer reichen sich
nun gegenseitig das ominöse Phantombild, um ihrerseits
einen besseren Einblick in diesen schwierigen Fall zu
erlangen. Allen voran Kommissar X.
Der bessere Einblick wird nach zehn Minuten jäh
unterbrochen, als Kommissar X das Wort ergreift.
- Hmmm ... Er hat recht. Da muss was schief gelaufen
sein.
Die Meute hinter ihm bricht nach diesen Worten in stehende
Ovationen aus, und stimmt ein harmonisches Er-hat-recht-Lied
an. Ich geniesse die neue Situation in vollen Zügen,
und lasse mich von den mir inzwischen liebgewordenen
neuen Freunden feiern.
Doch Kommissar X winkt seinen staatlich geprüften
Geisterzeichner zu sich, und flüstert diesem irgendwas
ins Ohr. Der miese Zeichner baut sich vor mir auf, und
beginnt mich zu zeichnen.
Zwei Minuten später ist das neue Bild fertig.
- Na? sagt Kommissar X mit siegesgewissem Lächeln
und hebt mir den neuen Rembrandt vor die Nase:
- Was sagen Sie nun?
Ich betrachte das Bild einige Minuten lang eingehend,
und muss dabei feststellen, dass eine frappierende Ähnlichkeit
zu meinen adligen Gesichtszügen nicht von der Hand
zu weisen ist.
Kein Zweifel! Ich bin der gesuchte 112-fache Mörder,
18-fache Vergewaltiger und 3-fache Gummibärchendieb!
Morgen werde ich auf dem elektrischen Stuhl Platz nehmen müssen.
Gott sei Dank!