geschichten:
Haltet den Dieb!
- Puuh, ist mir langweilig!
Letzten Dienstag sass ich mit Anne und Joern
in der 59ERS-BAR um zu klönen, und zu schauen,
was in der Stadt gerade gängig ist. Aber, alles
war gesagt, und die vier Teenies am Nebentisch - denselben
hatten wir gerade erst, der besseren Aussicht wegen,
gegen den Tisch an der Tür eingetauscht - gaben
auch zu wenig her, um unsere Neugier oder Stimmung zu
entfachen. Nach einer halben Stunde waren die vier Teenies,
zwei Mädchen und zwei Jungen, wohl der selben Meinung.
Sie verliessen das Lokal.
Allerdings hatte eines der Mädchen,
so meinte die Bedienung (noch eine Anne), ihre Handtasche
vergessen. Die Mädchen wollten die Handtasche aber
nicht, und das war auch richtig so. Denn jetzt bemerkte
Anne, dass es sich um ihre Handtasche handelte, die
sie bei unserem Umzug am alten Tisch stehen gelassen
hatte. In Lörrach kommt halt nichts weg!
Und den Geldbeutel, der sich nicht in der Handtasche
befand, hatte Anne sicherlich im Büro liegen lassen.
Hierzu muss gesagt werden, dass Anne einige Jahre in
Hamburg verbracht hat und ohne ihren Geldbeutel Schwierigkeiten
beim Einschlafen hat. Immerhin befinden sich darin neben
dem Bargeld auch sämtliche Karten und Ausweise,
mit denen sie bei Bedarf in eine beliebige Rolle als
Bürgerin, Autofahrerin, Kontoinhaberin und vieles
mehr schlüpfen kann.
Da noch nicht Mitternacht war, riefen wir
bei Gerd an, um mit seinen Schlüsseln ins Büro
zu gelangen. Hier konnten wir den Geldbeutel nicht finden,
und so fiel der Verdacht auf Annes Auto, das bei mir
vor der Tür geparkt war. Gerd war nun ohnehin wach,
und so mussten wir nicht einmal laufen. Nachdem die
Suche in Annes Auto und meiner Wohnung gleichfalls ergebnislos
blieb, dämmerte uns das Unglaubliche:
Wir waren bestohlen worden.
In Lörrach!
Anne blieb gelassen und veranlasste per
Telefon (null-neunundsechzig-Wie-war-die-Nummer-nochmal-Joern?)
geistesgegenwärtig die Sperrung ihrer Geldkarten.
Nebenher analysierte sie das Geschehene mit Aussagen
wie "Immer ich!" und "Das ist mir noch
nie passiert!". Joern blieb nicht so locker, er
fühlte sich durch den Diebstahl in seiner Lörracher
Ehre gekränkt. Also beschlossen wir, die um den
Tatort befindlichen Büsche und Abfalltonnen nach
den Dieben, oder dem von ihnen womöglich weggeworfenen
Geldbeutel zu durchsuchen. Ohne grössere Erwartungen
und mit Taschenlampe machten wir uns auf den Weg. Auch
nach der vergeblichen Durchsuchung der 59ERS-Toiletten
hielt sich unsere Enttäuschung in Grenzen, und
wir beschlossen, das nahe gelegene Polizeirevier für
eine offizielle Anzeige des Diebstahls aufzusuchen.
Auf dem Weg zum Polizeirevier konnte ich es nicht unterlassen,
weiterhin in die am Wege stehenden Abfalleimer zu leuchten.
Irgendwie ist das ja auch interessant, ausserdem neige
ich schnell dazu, mir seltsame Verhaltensweisen anzugewöhnen.
Im Wertstoffcontainer zwischen CAFÉ PAPE und
MEYERHOF musste ich feststellen, dass in der Papiertonne
völlig vorschriftswidrig ein lederner Geldbeutel
lag.
- Geldbeutel??
- Anne? ANNNEEE!!!
Tatsächlich handelte es sich um Annes
Geldbeutel, den wir wegen des engen Einwurfschlitzes
aber nicht an uns nehmen konnten. Dafür wurden
wir am Brunnen auf dem alten Marktplatz auf eine gesellige
Runde junger Leute aufmerksam. Ich weiss, dass ich dem
geneigten Leserpublikum nun eine Menge zumute, aber
dort weilten unstreitig unsere Freunde aus der 59ERS-BAR.
Nach eigenen Angaben waren sie bis gerade eben im LIBERTY
und hatten sich, nach unserer Vermutung, mit Annes Geld
den Bauch vollgeschlagen. Naja, wenigstens keine Drogen,
und betrunken waren sie auch nicht.
Joern rief bei unseren Freunden vom Jo-Solli-Polizeirevier-Lörrach
an, damit sie sich das Ganze mal ansehen und einen Dreikant-Schlüssel
zum Öffnen des Wertstoffcontainers mitbringen könnten.
Der Streifenwagen mit einem Beamten und einer Beamtin
liess nicht lange auf sich warten, das Werkzeug hatten
sie leider vergessen. So gelang es dem Beamten ebenso
wenig, den Geldbeutel mit einem Spaten aus dem Container
zu graben, wie den flinken Händen der sehr freundlichen
und hilfsbereiten Tatverdächtigen. Schliesslich
angelte ich den Geldbeutel mit einem Zollstock aus dem
Container und der Beamte verlangte auch von mir Name
und Adresse. Irgendwie schien ihm die Orientierung zu
fehlen, vermutlich wähnte er sich in der Aufzeichnung
einer neuen Folge von "Versteckte Kamera".
Vielleicht ist es selbst in Lörrach nicht alltäglich,
dass entspannte Opfer den Beamten ausser der Beute auch
noch hilfsbereite Tatverdächtige zur Ermittlung
anbieten. Offensichtlich wollten die Beamten die fröhliche
Stimmung auch nicht durch die Überprüfung
von Fingerabdrücken zerstören, und so verabschiedeten
sich mit einem freundlichen
- Da können wir leider nicht mehr machen.
Trotzdem hatten wir den Eindruck, mal wieder einen netten Abend in Lörrach verbracht zu haben. Joern ist nach Wiederherstellung der Lörracher Ehre wieder nach Frankfurt gefahren. Anne nennt mich öfter "Mein Held!", und mein Drang in öffentliche Abfalleimer zu schauen lässt langsam wieder nach.