Thomas Kleine Welt

 

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Haltet den Dieb!

- Puuh, ist mir langweilig!
  Letzten Dienstag sass ich mit Anne und Joern in der 59ERS-BAR um zu klönen, und zu schauen, was in der Stadt gerade gängig ist. Aber, alles war gesagt, und die vier Teenies am Nebentisch - denselben hatten wir gerade erst, der besseren Aussicht wegen, gegen den Tisch an der Tür eingetauscht - gaben auch zu wenig her, um unsere Neugier oder Stimmung zu entfachen. Nach einer halben Stunde waren die vier Teenies, zwei Mädchen und zwei Jungen, wohl der selben Meinung.
Sie verliessen das Lokal.
  Allerdings hatte eines der Mädchen, so meinte die Bedienung (noch eine Anne), ihre Handtasche vergessen. Die Mädchen wollten die Handtasche aber nicht, und das war auch richtig so. Denn jetzt bemerkte Anne, dass es sich um ihre Handtasche handelte, die sie bei unserem Umzug am alten Tisch stehen gelassen hatte. In Lörrach kommt halt nichts weg!
Und den Geldbeutel, der sich nicht in der Handtasche befand, hatte Anne sicherlich im Büro liegen lassen. Hierzu muss gesagt werden, dass Anne einige Jahre in Hamburg verbracht hat und ohne ihren Geldbeutel Schwierigkeiten beim Einschlafen hat. Immerhin befinden sich darin neben dem Bargeld auch sämtliche Karten und Ausweise, mit denen sie bei Bedarf in eine beliebige Rolle als Bürgerin, Autofahrerin, Kontoinhaberin und vieles mehr schlüpfen kann.
  Da noch nicht Mitternacht war, riefen wir bei Gerd an, um mit seinen Schlüsseln ins Büro zu gelangen. Hier konnten wir den Geldbeutel nicht finden, und so fiel der Verdacht auf Annes Auto, das bei mir vor der Tür geparkt war. Gerd war nun ohnehin wach, und so mussten wir nicht einmal laufen. Nachdem die Suche in Annes Auto und meiner Wohnung gleichfalls ergebnislos blieb, dämmerte uns das Unglaubliche:
Wir waren bestohlen worden.
In Lörrach!

Anne blieb gelassen und veranlasste per Telefon (null-neunundsechzig-Wie-war-die-Nummer-nochmal-Joern?) geistesgegenwärtig die Sperrung ihrer Geldkarten. Nebenher analysierte sie das Geschehene mit Aussagen wie "Immer ich!" und "Das ist mir noch nie passiert!". Joern blieb nicht so locker, er fühlte sich durch den Diebstahl in seiner Lörracher Ehre gekränkt. Also beschlossen wir, die um den Tatort befindlichen Büsche und Abfalltonnen nach den Dieben, oder dem von ihnen womöglich weggeworfenen Geldbeutel zu durchsuchen. Ohne grössere Erwartungen und mit Taschenlampe machten wir uns auf den Weg. Auch nach der vergeblichen Durchsuchung der 59ERS-Toiletten hielt sich unsere Enttäuschung in Grenzen, und wir beschlossen, das nahe gelegene Polizeirevier für eine offizielle Anzeige des Diebstahls aufzusuchen. Auf dem Weg zum Polizeirevier konnte ich es nicht unterlassen, weiterhin in die am Wege stehenden Abfalleimer zu leuchten. Irgendwie ist das ja auch interessant, ausserdem neige ich schnell dazu, mir seltsame Verhaltensweisen anzugewöhnen. Im Wertstoffcontainer zwischen CAFÉ PAPE und MEYERHOF musste ich feststellen, dass in der Papiertonne völlig vorschriftswidrig ein lederner Geldbeutel lag.
- Geldbeutel??
- Anne? ANNNEEE!!!
  Tatsächlich handelte es sich um Annes Geldbeutel, den wir wegen des engen Einwurfschlitzes aber nicht an uns nehmen konnten. Dafür wurden wir am Brunnen auf dem alten Marktplatz auf eine gesellige Runde junger Leute aufmerksam. Ich weiss, dass ich dem geneigten Leserpublikum nun eine Menge zumute, aber dort weilten unstreitig unsere Freunde aus der 59ERS-BAR. Nach eigenen Angaben waren sie bis gerade eben im LIBERTY und hatten sich, nach unserer Vermutung, mit Annes Geld den Bauch vollgeschlagen. Naja, wenigstens keine Drogen, und betrunken waren sie auch nicht.
  Joern rief bei unseren Freunden vom Jo-Solli-Polizeirevier-Lörrach an, damit sie sich das Ganze mal ansehen und einen Dreikant-Schlüssel zum Öffnen des Wertstoffcontainers mitbringen könnten. Der Streifenwagen mit einem Beamten und einer Beamtin liess nicht lange auf sich warten, das Werkzeug hatten sie leider vergessen. So gelang es dem Beamten ebenso wenig, den Geldbeutel mit einem Spaten aus dem Container zu graben, wie den flinken Händen der sehr freundlichen und hilfsbereiten Tatverdächtigen. Schliesslich angelte ich den Geldbeutel mit einem Zollstock aus dem Container und der Beamte verlangte auch von mir Name und Adresse. Irgendwie schien ihm die Orientierung zu fehlen, vermutlich wähnte er sich in der Aufzeichnung einer neuen Folge von "Versteckte Kamera". Vielleicht ist es selbst in Lörrach nicht alltäglich, dass entspannte Opfer den Beamten ausser der Beute auch noch hilfsbereite Tatverdächtige zur Ermittlung anbieten. Offensichtlich wollten die Beamten die fröhliche Stimmung auch nicht durch die Überprüfung von Fingerabdrücken zerstören, und so verabschiedeten sich mit einem freundlichen
- Da können wir leider nicht mehr machen.

Trotzdem hatten wir den Eindruck, mal wieder einen netten Abend in Lörrach verbracht zu haben. Joern ist nach Wiederherstellung der Lörracher Ehre wieder nach Frankfurt gefahren. Anne nennt mich öfter "Mein Held!", und mein Drang in öffentliche Abfalleimer zu schauen lässt langsam wieder nach.